Wenn kurz vor Schluß, endlich, der Kopf des Tigers in einer Großaufnahme auftaucht, dann ist es, als ob der gesamte Film auf diesen einen Moment hingewirkt hat. Es ist der vielleicht atemberaubendste Augenblick dieses Kinojahres. Die folgenden etwa 10 Minuten, von der beschriebenen Einstellung angefangen bis hin zum Schluss, hat mich Tropical Malady vollkommen gefangen genommen und mich schließlich euphorisiert aus dem Kinosaal entlassen.
Der Film ist bis dahin nicht frei von Längen, von Sequenzen, die für den am narrativen Storytelling geschulten, verwöhnten, versauten Zuschauer, und wer ist das nicht, die dessen Geduld also, scheinbar über Gebühr strapazieren. Ähnlich wie bei „Blissfully Yours“, Apichatpongs vorangegangenem Film, der meiner Ansicht nach noch deutlich radikaler mit dramaturgischen Konventionen bricht, ist auch „Tropical Malady“ vielmehr ein filmisches Gedicht als eine Erzählung.
Wie schafft es A.W. nun diesen ungemein wirkungsvollen Effekt zu erzielen, der den Zuschauer zwischen Erstaunen, Erregung und Fassungslosigkeit zurückläßt? Ich konnte etwa, bis auf eine verstörende, dabei jedoch bis ins kleinste Detail durchkomponierte Einstellung, die einen „glühenden“ Baum im nächtlichen Dschungel zeigt, kaum Szenen finden, die eine Nachbetrachtung, womöglich sogar eine Interpretation nahelegen. Es ist ganz im Gegenteil so, dass sich die Filme A.W. wie ein Gebirgsfluss ausmachen, der auf seinem Weg ins Tal allmählich an Kraft zunimmt, bis er am Ende alles mit sich reißt.
Es würde mich dabei jedoch interessieren, ob sich die Dreharbeiten im Vergleich zur sonst üblichen Praxis unterscheiden. Ob man etwa chronologisch dreht. Einiges, zumindest im zweiten Teil, im Dschungel, legen diese Vermutung nahe. Mich würde interessieren wie weit das Drehbuch ausgearbeitet ist und im Detail Bewegungsabläufe und Dialoge festlegt. Vieles deutet darauf hin, dass eine Menge Raum für freie Improvisation bleibt.
Am Ende ist es jedoch die Intuition, die aus den Bildern spricht und aus den Tönen, die aus „Tropical Malady“ bei aller konzeptionellen Schärfe etwas besonderes macht und sich verschließt, vor dem, was den „anspruchsvollen“ Film zum langweiligen Kreuzworträtsel für „anspruchsvolle“ Betrachter werden lässt: der Interpretation.
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