Und noch ein empfehlenswerter Film. La Peau blanche , in Deutschland unter dem Titel "White Skin" bei Sunfilm auf DVD erschienen, ist einer dieser merkwürdigen francokanadischen Produktionen, die so tatsächlich nirgendwo auf der Welt denkbar wären, behaupte ich jetzt einfach mal. Das liegt zu einem großen Teil an dem belagerungsartigen Zustand der Angelsachsen, besser eigentlich der anglophones, also der englischsprachigen Welt, die den nordamerikanischen Kontinent mehr oder minder dominiert, unter dem sich die Quebecois wähnen.
Ich hab da einen gewissen persönlichen Bezug, habe ich doch in diesem abgelegenen Teil der Welt (abgelegen aus US-amerikanischer Sicht), in Montreal also, immerhin ein halbes Jahr im 14. Stockwerk eines Skyscraper an der Sainte Catherine zugebracht. Wenn man dort die Zeitungen aufschlägt, und da macht es nun ausnahmsweise keinen Unterschied ob man die französischsprachigen oder die englischsprachigen Publikationen wählt, fällt auf, dass verhältnismäßig häufig das Wort "surreal" (im englischen Wortsinn) im Zusammenhang mit der Beschreibung der eigenen Stadt fällt. Und tatsächlich ging es mir selbst am Ende so, dass mir dieser Ort, der beinahe ständig, so scheint es zumindest, von meterhohen Schneemassen erdrückt wird, seltsam unwirklich erschien.
Das transportiert sich (natürlich) auch durch die dort entstandenen lokalen Produktionen. Dazu muss man wissen, dass Montreal eine zeitlang neben Vancouver die beliebteste ausländische Location für amerikanische Produktionen war, wie sich das im Moment verhält, weiss ich nicht. Das hat den regionalen Filmemachern nicht geholfen. Ähnlich kennt man das auch aus Deutschland, wenn etwa bevorzugt amerikanische Indyproduktionen (Hartley, Jarmusch etc.) Fördergelder anzapfen. Ich will das gar nicht bewerten und der Vergleich hinkt vielleicht auch, aber viele Filmemacher aus Quebec gibt es nicht wirklich.
Umso erfreulicher, wenn es dann mal einer sogar bis hierher schafft. Und in diesem Fall auch vollkommen zurecht. "La Peau blanche" spielt gerade in der ersten Hälfte ganz deutlich mit der besonderen soziokulturellen Lage der Stadt, die sich tatsächlich überraschend strikt durch eine Strasse (Rue St.Laurent) in zwei etwa gleich große Gebiete aufteilt. Abgrenzung ist hier wichtiger als anderswo, ist überlebensnotwendig, weil identitätsstiftend.
Man ist sensibilisiert für entsprechende Fragestellungen, und "La Peau blanche" geht die Thematik vergleichsweise offensiv an. Es geht um abstruse Thesen, wie etwa, dass Farbige die menschlicheren Menschen wären, von einem rein genetischen Standpunkt aus betrachtet. Da sträuben sich dem Mitteleuropäer schon mal die Nackenhaare. Eingefasst ist das Ganze in einen Thrillerplot mit Horrorelementen.
Das ist gefährliches Terrain, auf das sich Daniel Roby begibt. Dafür allein gebührt ihm noch nicht der Respekt. Wenn man jedoch dem rassistischen Element mit den Genrekonventionen begegnet, um selbige peu à peu ausser Kraft zu setzen, dann finde ich das schon bemerkenswert. Der Witz bezieht seine Kraft aus den dekonstruktivistischen Motiven, mit denen Erwartungshaltungen unterwandert werden. Konkret: weisser Hetero geht mit farbigem Buddy ins Puff. Rothaarige Mieze ersticht Buddy, beinahe. Hetero verliebt sich in Schwester der Rothaarigen deren Familie sich als menschenfleischfressende Sippe outet. Farbiger Buddy versucht zu helfen, wird dabei dahingemeuchelt. Am Ende ernährt Hetero rothaarige Schwangere mit seinem eigenen Blut. Klingt nach Trash, oder? Isses aber ganz und gar nicht.