Mr.Okada
Film: Kontroll (Nimrod Antal, Ungarn 2003)
mr.okada | 30. September 05 | Topic 'Film'

Zunächst, das Setting in der Budapester U-Bahn ist grandios. Die endlos wirkenden Rolltreppen, die riesigen Bahnsteige, die dunklen Röhren. Kontroll bedient sich der Motive im besten Sinne. Die Ausleuchtung, ganz zu Beginn, in einer der ersten Szenen, als die Hauptfigur, gespielt von dem charimatischen Sandor Csanyi eingeführt wird, ist brilliant. Hunderte von Neonlampen tauchen nach und nach den Bahnsteig in diesen leicht orangefarbenen, leicht dreckig braunen Farbton, der den Zuschauer den gesamten Film über begleiten wird.

Zunächst glaubt man es mit einer Komödie zu tun zu haben, mit skurrilen Figuren und grotesken Miniaturen. Nach 30 Minuten taucht zum ersten Mal das Mädchen im Teddykostüm auf, der Love Interest, wenn man so will und man beginnt sich zu wundern, ob dem Film die Puste ausgeht. Bis dahin hat man sich gut unterhalten. Nimrod Antals inszenatorisches Handwerk befindet sich durchaus auf der Höhe seines eigenen Drehbuchs, das ohne lange Umschweife auf den Punkt kommt und schnell die angestrebte Atmosphäre etabliert, die zwischen surreal anmutendem Märchen und warmherziger Sozialkritik oszilliert.

Und dann, ganz allmählich, nimmt der Film einen unerwarteten Verlauf, rückt Antal von den sich leerlaufenden, wohlwollenden Zustandsbeschreibungen ab, wendet sich seiner Hauptfigur zu und gewinnt von Minute zu Minute an poetischer Kraft. Auch wenn manches zu stark dem Kitsch verhaftet bleibt (der bärtige Zugfahrer Bela zum Beispiel) hat der Film eine visuelle Energie, die ihn spielend durch den zweiten Akt trägt bis hinein ins Finale.

Je dichter die Kamera gegen Ende an Sandor Csanyi heranreicht, desto deutlicher wird die Präsenz des Schauspielers, der mich ein wenig an Andy Garcia erinnert hat. Mit Kontroll ist Nimrod Antal über weite Strecken ein wunderbarer Film gelungen, dem der Spagat zwischen kommerziellem Anspruch und dem Mut zur eigenen Courage nie anzumerken ist. Hollywood, ick hör dir trapsen.

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thgroh, Samstag, 1. Oktober 2005, 01:49
Ist ja ein Zufall, gerade den habe ich gerade am Abend gesehen. ;-)

(allerdings schon zum zweiten Mal, wusste also von vorneherein, dass der Film a) auf seltsame Weise seltsam und in sich unstimmig und b) gerade deshalb seltsamerweise so gut ist. :)

Schöner Geheimtippfilm jedenfalls, hat auch meiner Liebsten aus genau den gleichen Gründen gut gefallen.

mr.okada, Samstag, 1. Oktober 2005, 01:54
was würden wir jetzt tun wenn wir davon überzeugt wären dass es keine zufälle gibt? aber da du ja häufig sehr gut informiert bist, würde mich interessieren ob du weisst was der Herr Antal als nächstes macht. bist du am sonntag eigentlich bei ekke?

thgroh, Samstag, 1. Oktober 2005, 02:01
Was Nimrod Antal betrifft: Leider keine Ahnung. Ich bin hier auf ein Interview gestoßen, ganz sympathisch soweit, aber Zukunftspläne sind da, glaube ich, nicht so drinne.

Sonntag: Ja, auf jeden Fall. Dann sieht man sich dort mal wieder? :-)
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