Horror als ich unsere vorreservierten Karten abholen will. Eine riesige Schlange erstreckt sich von den Sophiensälen bis auf die Straße hinaus und das obwohl ich überpünktlich ne dreiviertelstunde früher auftauche. Ewiges Warten und Herumstehen bis ich die Tickets in den Händen halte. Im Foyer Gedränge. Eine Frau reibt ihren Hintern auffallend hartnäckig an den Körper meines Begleiters, wie er mir später beim Bier im „23“ gesteht. Das war im Nachgang auch das Spannendste an diesem Theaterabend.
Das Bühnenbild schlicht, jedoch nicht ohne Reiz. Neonröhren, die sich sternförmig über den Boden erstrecken, ein Sofa mittendrin, hinten rechts eine Hammond Orgel, an der rückwärtigen Wand eine Videoprojektion. Eine Weide sieht man da, im Hintergrund ab und an ein grasendes Schaf. Der namenlose Held des Romans taucht auf, spricht die Sätze stakkatohaft, manchmal ein wenig blasiert, meist zickig, nölig, nervig. Man hat dem armen Kerl Schwimmflossen an die Füße geschnallt. Ein Mädchen rollt auf Rollschuhen in den Raum. Sie hat diese puschligen Ohrenschützer auf dem Kopf, lächelt, strahlt und steht meist nur da, wie hingepflanzt. Eine nicht wirklich groß gewachsene junge Frau in einem Schafskostüm hüpft über die Neonröhren, wackelt mit dem Hinterteil. Später wird sie tanzen, auf englisch „Rattes“ Brief vorspielen und sich dabei in spasmischen Bewegungen krümmen. Der saufende Kompagnon des Helden ist auch mit von der Partie, nur dass er nicht säuft. Stattdessen windet er sich an einer Stelle am Boden und veräußerlicht damit meinen Zustand.
Die melancholische Grundstimmung des Romans wird in eine Travestie überführt. Der geheimnisvolle, merkwürdige Mann ist eine Frau im Sixties-Look die wie eine Furie über die Bühne fegt, hin und wieder, zur Belustigung des dankbaren Publikums, kindische Bäääh-Wörter in den Text stammelt – Fickbuhbläharsch – so in der Art. Ohne lässige Brechung geht es nicht ab. Einmal wird der Redeschwall abrupt unterbunden, die versammelte Belegschaft bewegt sich zu den Piepmelodien der Orgel. Anfangs bin ich gespannt wie man den Stoff auf der Bühne auflösen kann, dann frage ich mich wie gut die Schauspieler wären, würde man sie zurückgenommener führen. Später ertappe ich mich immer häufiger dabei wie mein Blick durch den Raum schweift, etwas sucht um die Langeweile zu vertreiben. Wenig später lümmel ich im Foyer in einem Sessel und warte bis die Vorstellung beendet ist. Gott sei Dank kommt kurz darauf mein Begleiter – bekennender Murakami Fan – leichenblaß aus dem Saal und wir ziehen ab.